Freie Therapieplätze in Düsseldorf? Ergebnisbericht Umfrage zur Psychotherapeutischen Versorgung in der Region Düsseldorf, April 2019

Erfahrungsbericht der Praxis Psychotherapie am Zoo in Düsseldorf - Flingern: 

Als Psychotherapeutische Praxis erhalten wir pro Woche bis zu 25 Anfragen von Personen, die auf der Suche nach einem Therapieplatz sind. Trotz unseres Wartelistenverfahrens ist es jedoch nicht möglich, allen anfragenden Patienten gerecht zu werden.

Eine große Studie aus dem Jahr 2014 hat ergeben, dass Patienten in Deutschland durchschnittlich 15,5 Wochen auf einen Therapieplatz warten1. Das liegt jedoch nicht daran, dass es nicht genügend gut ausgebildete Therapeuten gibt, sondern vielmehr an der Gesetzeslage, die eine begrenzte Anzahl von Kassensitzen für Psychotherapeuten und Ärzte vorgibt. Diese Anzahl orientiert sich nicht an der Nachfrage, bzw. dem Krankenstand der Bevölkerung, sondern beruht auf 1999 festgelegten Verhältniszahlen.

Allgemein sind die Wartezeiten für Psychotherapie in NRW untragbar lang, je nach Region sogar bis zu 45 Wochen3. Eine Studie der Ärzte und Kassenvertretern kam zu dem Ergebnis, dass rund 209 Kassensitze in der Region fehlen4. Nach Angaben der Psychotherapeutenkammer ist die Versorgungslage in Düsseldorf vergleichsweise gut, mit 43 Psychotherapeuten pro 10.000 Einwohner liegt Düsseldorf deutlich über dem Durschnitt von 25, bzw. sogar nur 20 Therapeuten pro 10.000 Einwohner in den Regionen Nordrhein und Westfalen-Lippe2.

Nichtsdestotrotz steigt die Anzahl der Nachfragen. Daher beschlossen wir im April 2019 durch eine nicht-repräsentative Umfrage zu ermitteln, wie es den Patienten, die innerhalb der letzten zwei Jahre bei uns angefragt haben, aber nicht aufgenommen wurden, ergangen ist. Dafür wurden ca. 820 Patienten per Email kontaktiert und gebeten, an einer Umfrage teilzunehmen. Etwa 23% der eingeladenen nahm teil.

Demographische Kerndaten
- 193 Teilnehmer
- 92% kamen aus Düsseldorf und näherer Umgebung
- 68% waren weiblich, 28% männlich, 4% divers
- 91% der Teilnehmer sprachen muttersprachlich Deutsch

Die Altersverteilung zeigt, dass die Mehrheit der Befragten 18-40 Jahre alt war, aber Patienten aus vielen Altersgruppen vertreten waren (s. Diagramm 1).

Von den nicht-muttersprachlich Deutsch sprechenden fühlten sich ca. 35% auf der Suche nach Therapie benachteiligt, mehr Englischsprechende Therapeuten wären von ca. 23% dieser Gruppe erwünscht.

Um sich über Psychotherapie zu informieren, verwendeten die Mehrheit der befragten allgemeine Suchmaschinen und Informationsportale wie Google und Wikipedia. Weitere häufige Informationsquellen waren spezielle Informationsseiten zum Thema Psychotherapie, Fach- und Hausärzte sowie Familie und Freunde.

Die meisten Patienten gaben an, bis zu 30 Minuten Reisezeit zur wöchentlichen Therapie in Kauf zu nehmen, knapp 29% wären sogar bereit, bis zu 60 Minuten Anfahrt wöchentlich zu akzeptieren.

Die Teilnehmer der Befragung waren zum Großteil gesetzlich versichert, die TK war die am häufigsten angegebene Krankenkasse. Die Verteilung bei den jeweiligen Kassen ist Diagramm 2 zu entnehmen.

 

Hauptergebnisse

Hauptergebnisse

Von allen Befragten waren 48% zwischenzeitlich in Psychotherapeutischer Behandlung, 9% suchten nicht mehr, 8% hatten alternative Hilfsangebote in Anspruch genommen. 35% der Patienten war zum Zeitpunkt der Befragung weiterhin auf der Suche nach Therapie

Unter jenen, die einen Therapieplatz gefunden haben, gaben 33% an, bei einem bis fünf Therapeuten angefragt zu haben, 32% bei sechs bis zehn, 19% bei elf bis 15, 16% der Befragten musste bei mehr als 16 Therapeuten anfragen, um einen Therapieplatz zu bekommen (s. Diagramm 3). Bei der Mehrheit der Befragten (86%) dieser Gruppe wurde die Therapie von der gesetzlichen Kasse bezahlt.

 

Die meisten befragten, die einen Therapieplatz bekommen haben, mussten dabei zwischen 3 und 6 Monaten warten. Knapp 18% der Befragten wartete sogar länger als 6 Monate (s. Diagramm 4).
 

Unter den Patienten, die noch auf der Suche nach einem Therapieplatz waren, gaben 50% an bereits seit mehr als 12 Monaten zu suchen, weitere 30% suchten bereits seit mehr als 6 Monaten aber weniger als einem Jahr.

Von den Patienten, die angaben, nicht mehr auf der Suche nach Therapie zu sein, gaben 53% an, die Suche abgebrochen zu haben, weil sie zu frustrierend war.

Einige Patienten nahmen auch andere Hilfsangebote wahr, hauptsächlich wurden hier Coaches, Berater, Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen und Heilpraktiker genannt.

Nur drei Befragte gaben an, über das Kostenerstattungsverfahren eine Therapie begonnen zu haben. Davon brauchten zwei Patienten zwei bis sechs Monate, um eine Bewilligung zu erhalten, einer erhielt sie innerhalb von zwei Monaten. Der Prozess wurde als stark belastend empfunden, Patienten gaben einen Durchschnittswert von 7,3 auf einer Skala von 1-10 (10: Extrem belastend) an.

Tabelle 2 zeigt die Verteilung von Patienten pro Kasse, die einen Therapieplatz gefunden haben, noch suchen, nicht mehr suchen bzw. alternative Hilfsangebote, z.B. durch Heilpraktiker, Selbsthilfegruppen oder Beratungsstellen wahrgenommen haben. Es ist nicht überraschend, dass unter den privat versicherten Patienten die geringste Anzahl weiterhin sucht. In dieser Patientengruppe gaben die meisten von denen, die einen Therapieplatz gefunden haben an, weniger als 4 Wochen gewartet zu haben. Patienten der Kassen AOK and BEK sind in unserer nicht-repräsentativen Umfrage am häufigsten weiterhin auf der Suche.

Krankenkasse

% der Patienten, die einen Therapieplatz gefunden haben

% der Patienten, die noch suchen

% der Patienten, die nicht mehr suchen

% der Patienten, die alternative Hilfsangebote genutzt haben

TK

48

27

21

4

AOK

47

50

3

-

BEK

31

54

9

6

DAK

75

17

-

8

Betriebskassen

55

9

9

27

Privat Versichert

62

8

8

22

Tabelle 2.

Die Befragung zeigt weiterhin, dass 51% der befragten Frauen in der Zwischenzeit in Behandlung gewesen sind, jedoch nur 41% der Männer. Auch gaben einige Patienten an, sich aufgrund ihrer Diagnose diskriminiert zu fühlen, bzw. besondere Schwierigkeiten bei der Therapeutensuche zu haben. Hier wurden speziell ADHS, Autismus sowie Traumata genannt.

Zusammenfassung

Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass ungefähr die Hälfte der Patienten, die innerhalb der letzten zwei Jahre in unserer Praxis angefragt haben, aber nicht aufgenommen wurden, anderweitig einen Therapieplatz gefunden hat. Viele dieser Patienten haben länger als 3 Monate gewartet und mussten bei durchschnittlich bis zu 10 Therapeuten anfragen.


Weitere 35% sind jedoch weiterhin auf der Suche nach Therapie, zum Großteil seit über einem Jahr. Unter denen, die die Suche ohne Behandlung beendeten, gaben über die Hälfte an, dies nicht etwa aufgrund einer Verbesserung der Symptomatik, sondern aus Frustration über die Suche getan zu haben.

Das Kostenerstattungsverfahren wurde bei den Befragten überaus selten durchgeführt, und wurde als langwierig und belastend empfunden. Privatversicherte Patienten suchten am seltensten lange nach Therapie, Patienten der Kassen AOK und BEK am häufigsten. Frauen waren bei der Therapeutensuche durchschnittlich etwas öfter erfolgreich als Männer.

(c) Praxis Psychotherapie am Zoo 2019
Autoren: Christiane Koken, Stefan Paffrath

Quellenangaben

1 Nübling, R., Jeschke, K., Ochs, M., & Schmidt, J. (2014). Zur ambulanten psychotherapeutischen Versorgung in Deutschland. Eine Befragung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in fünf Bundesländern als ein Beitrag zur psychotherapeutischen Versorgungsforschung. Ergebnisbericht. Stuttgart, Landespsychotherapeutenklammer Baden-Württemberg.

2  Quelle: www.ptk-nrw.de/de/mitglieder/publikationen/ptk-newsletter/archiv/ptk-newsletter-22011/psychotherapeutische-unterversorgung-in-nrw.html

3 www.ptk-nrw.de/de/mitglieder/publikationen/ptk-newsletter/archiv/ptk-newsletter-22012/1600-praxen-fehlen-ruhrgebiet-besonders-benachteiligt.html

4 https://www.deutschlandfunk.de/psychotherapie-die-schwere-suche-nach-einem-therapieplatz.724.de.html?dram:article_id=414633