Gesundheitspolitik: ePA - Chance oder Risiko?

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat Mitte März seine neue Strategie zur Digitalisierung im Gesundheitswesen vorgestellt. Wir, die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik, sollen nun „gemeinsam digital“ werden. Schön und gut - aber warum eigentlich?


Folgende Vorteile für die Bürgerinnen und Bürger werden vom BMG genannt

  1. Senkung der Sterblichkeit - durch telemedizinische Überwachung Senkung der Sterblichkeitsrate bei Herzpatienten.
  2. Weniger Dokumentationsaufwand - Ärzte und Pflegekräfte werden durch mehr Technik entlastet.
  3. Fehlmedikationen sollen reduziert werden.
  4. Komplikationen sollen besser vermieden werden.
  5. Risiken, z. B. bei Schwangerschaftsdiabetes, können verringert werden.
  6. Die Strahlenbelastung (der Ärzte) könnte reduziert werden.
     

Nach Aussage des BMG soll für die Einführung der ePA = elektronische Patientenakte ein Opt-Out-Prinzip erforderlich sein. 

Wofür dieses Opt-Out-Prinzip notwendig ist, wird etwas weiter unten im Text deutlich: zur Stärkung der Forschungsdatenlandschaft. Das BMG will den Zugang zu den in der ePA gespeicherten Daten jeder Forschung ermöglichen, „die dem Wohl der Patienten und der Allgemeinheit dient“. 

Dass die medizinische und pharmazeutische Forschung auf belastbare und umfangreiche Datensätze von möglichst vielen Menschen angewiesen ist, ist sicherlich richtig. Je umfangreicher und auswertbarer diese Daten sind, desto besser. Es gibt keinen medizinischen Fortschritt ohne Forschung. Gute Forschung schützt die Gesundheit der Menschen. Die pharmazeutische Industrie und die Medizintechnik sind für die Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland von großer Bedeutung. Vertreter dieser Branchen beklagen, dass die in Deutschland weltweit einzigartige Betonung des Datenschutzes - formalisiert in der DSGVO, der Datenschutz-Grundverordnung - ein großes Hemmnis darstellt, große Forschungsprojekte durchzuführen.

Es steht außer Frage, dass Forschung auf hohem Niveau sowohl für uns als einzelne Bürger als auch für die Bundesrepublik Deutschland als Wirtschaftsstandort ein wichtiger Faktor ist. Dem wird kaum jemand widersprechen. 

Trotz dieser Heilsversprechen stellt sich die Frage, ob diese Vorteile es rechtfertigen, dass Millionen von Bürgern - ohne jemals wirklich gefragt worden zu sein - zu Datensätzen in einer gigantischen Datenbank werden, wie es sie bisher noch nie gegeben hat. Alle Erfahrungen, die wir als Bürgerinnen und Bürger mit den Großprojekten der Bundesregierung gemacht haben, deuten darauf hin, dass es eine Vielzahl von Fehlern geben wird und sich die Realisierungsphasen in die Länge ziehen werden. Schon bei der Einführung der Telematik - Infrastruktur sind viele Millionen in den Sand gesetzt worden - mit sehr fragwürdigen Ergebnissen. Für die Arztpraxen und Apotheken in der BRD ist kein erkennbarer Nutzen entstanden. Pannen, Nachbesserungen und komplizierte Benutzerführung gab und gibt es ständig. Ganz zu Schweigen von den ständig neuen Kosten für Updates. Die Telematikinfrastruktur, auf der die neue ePA derzeit aufbaut, ist alles andere als sicher. Darauf hat der CCC (Chaos-Computerclub) mehrfach hingewiesen. 

Grundsätzlich kann jedes Computersystem mit genügend Zeit und Aufwand geknackt werden. Die staatlich angeordnete Monsterdatenbank mit den Gesundheitsdaten (fast) aller Bundesbürger ist sicherlich ein äußerst lohnendes Ziel für alle Internetkriminellen dieser Welt. Wann die ersten Daten gehackt werden, ist nur eine Frage der Zeit.

Ob die versprochenen Verbesserungen (Risikominimierung, Verbesserung des Informationsflusses) die indirekte Zwangseinführung der ePA für alle rechtfertigen, muss nun jeder Bürger für sich selbst entscheiden - vorausgesetzt, er hat sich vorher mit dem Thema beschäftigt und rechtzeitig seine Entscheidung gegen eine mögliche automatische Aufnahme in die ePA-Datenwolke durchgesetzt.
 

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