Direkt kommunizieren
Schauen Sie sich einfach einmal um, unter den Menschen, mit denen Sie gerade zusammen sind. Wenn Sie jetzt hochschauen, wie viele Menschen in Ihrer Umgebung starren gerade auf einen Bildschirm? Fragen Sie sich selbst: Telefonieren Sie lieber, gehen Sie mal eben rüber in das Büro des Kollegen oder schreiben Sie lieber eine sms oder E-Mail? Wenn Sie abends mit Ihrem Partner/in zusammen sind – wieviel Zeit investieren Sie in ein bedeutungsvolles Gespräch? Wird Ihnen Aufmerksamkeit gewidmet? Können Sie so sprechen, dass Sie das Gefühl haben, an Ihren Gefühlen wird Anteil genommen?
Wenn ich als Psychotherapeut Paargespräche begleite, dann bin ich oft betroffen, wie schwer es zu sein scheint, dass zerstrittene Paare sich wirklich zuhören. Zuerst scheint ein Paar sehr beschäftigt zu sein, wechselseitig Vorwürfe abzuwehren, sich zu rechtfertigen oder mit massivem Druck den eigenen Standpunkt beim Gegenüber (dem ehemals geliebten Menschen!) unterzubringen, obwohl offensichtlich ist, dass schon in der Körpersprache ersichtlich nur Abwehr und Ablehnung kommuniziert wird.
Entscheidend ist hier, dass Paare vielleicht jahrelang unter einem Dach leben, viele Aktivitäten miteinander teilen, aber durch Kränkung und fehlende Absprachen sich emotional voreinander verschlossen haben, dass das Teilen von Emotionen nicht mehr stattfindet. Beide sind wohl voller Gefühle und die Gefühle werden auch (oft negativ) ausgedrückt, aber das ist nicht ein geteiltes Gefühl im Sinne von „ich spüre, was du fühlst.“
Richtig, durch die Körpersprache vermitteln wir beständig eine sehr große Zahl von Informationen über unsere Befindlichkeit, an alle, die sich die Mühe machen, hinzuschauen. Was aber nicht vermittelt wird ist, warum wir so empfinden wie wir empfinden und was Not tut, um unser Befinden ins Positive zu verändern. Dazu müssen wir Menschen immer noch miteinander reden, denn Gedankenlesen ist (zum Glück!) noch nicht erfunden.
Miteinander reden setzt aber ein Bemühen umeinander voraus. So viele Paare, so viele Freunde, die sich schwertun, mit diesem Bemühen. Manchmal scheint es, als würde es sehr viel Mut erfordern, Gefühle zu äußern, Gefühle zu erfragen. Paare verharren manchmal jahrelang in einem Berg von Unausgesprochenem.
Ja, es erfordert Mut, denn wir offenbaren in Gesprächen über unsere Gefühle unsere Befindlichkeit, werden angreifbar für Kritik, fordern Veränderungen heraus. Ja, Liebe erfordert Mut! Jede Bindung zeigt unsere Abhängigkeit, aber sie ist das Fundament unseres Lebens. Niemand kann allein überleben und wir alle sind, ob wir es wollen, Teil eines riesigen Geflechts von Beziehungen. Aber wir müssen diese Beziehungen so gestalten, dass sie auch (wechselseitige) Bindungen sein, damit wir die Einsamkeit und so auch die Angst überwinden, die heute so vielen Menschen alltäglich ist.